Unruhe im Klassenzimmer? Keine Panik!

Es klingelt. Der Unterricht beginnt. Als du die Unterrichtsstunde vorbereitet hast, da hattest du dieses eine Thema vor Augen, um das herum du dein ganzes Stundenkonstrukt aufgebaut hast. Und jetzt sind plötzlich vielmehr Themen im Raum. Themen, die die Schüler:innen mitbringen … aus der Pause vom Schulhof, aus dem Zuhause, aus der Nachbarschaft und dem Freundeskreis, dem Fußballverein und Pferdestall, aus Social Media. Da prallt so einiges aufeinander und es wird eine Menge Energie frei – ähnlich wie nach einer Kernspaltung, nur äußert sie sich hier in Lärm. In viel Lärm. Und jetzt neigst du schnell dazu, auf diese Unruhe mit Lautstärke zu reagieren. Doch der effektivere Weg ist meistens ein ganz anderer: Präsenz zeigen. Und mit Präsenz meine ich, nicht nur physisch im Raum zu sein, sondern auch mental und emotional voll dabei zu sein – mit deinen feinen Antennen ein Gefühl für die Stimmung zu haben. Wie kannst du jetzt also auf diese Unruhe reagieren und gleichzeitig deine Beziehung zu den Schüler:innen stärken?

Ein grundlegender Baustein für die Beziehungsarbeit ist die persönliche Ansprache. Hiermit signalisierst du Wertschätzung und Anerkennung. Es gibt deinen Schüler:innen das Gefühl gesehen und ernst genommen zu werden, wodurch wiederum ihre Lernbereitschaft und ihr Engagement positiv beeinflusst wird. Aus dem angloamerikanischen Raum stammt eine Studie (Cook et al., 2017), deren Ergebnisse sich auch mit dem decken, was auch der Bildungsforscher Andreas Helmke oft betont: Für einen guten Unterricht und eine effektive Klassenführung ist eine positive Lehrkraft-Schüler:in-Beziehung fundamental.

Denk immer daran, dass hinter fast jeder Unruhe immer ein unerfülltes Bedürfnis steckt. Es ist einfach, immer sofort zu ermahnen und zu drohen, und es kostet mehr Zeit und Energie herauszufinden, was deine Schüler:innen in diesem Moment wirklich von dir brauchen. Auf lange Sicht lohnt sich aber dieses Investment, weil du damit langfristig in eine gute Unterrichtsatmosphäre investiert. Deshalb sprich mit ihnen auf Augenhöhe und kläre ihr Bedürfnis. Manchmal ist es Überforderung, Langeweile, der Wunsch nach Aufmerksamkeit oder einfach nur ein Bewegungsdrang. Und mal ganz ehrlich: Spar dir solche Sätze wie „Setz dich jetzt still hin!“. Stell dich auf deine Schüler:innen ein, du bist für sie da – nicht umgekehrt. Wenn du ihre Bedürfnisse ernst nimmst, kannst du viel gezielter reagieren und eine echte Brücke bauen.

Schon klar – wir sind alle unterschiedlich, jede Klasse ist anders und hat ihre eigene Dynamik. Was bei den einen super funktioniert hat, muss noch lange nicht bei anderen ebenso gut funzen. Bleib offen, experimentiere und schaue und spüre genau hin, was am besten zu dir und deiner Klasse bzw. deinen Schüler:innen am besten passt und wirklich etwas bewirkt. Probiere gerne ein paar von mir erprobte Strategien aus, möglicherweise helfen sie dir weiter. Es sind alles Strategien, die möglichst „ressourcen-sparsam“ sein sollen. Ein Schultag ist lang, eine Schulwoche noch länger und ein ganzes Schuljahr …

Hier jetzt ein paar Strategien für dich:

  1. Blickkontakt: Baue ganz bewusst zu den „Störenden“ den Blickkontakt auf. Sei bereit, diesen Blickkontakt auch eine Weile auszuhalten – nicht drohend, sondern eher nach dem Motto „Ich sehe dich, ich sehe, was du machst!“ Es ist echt mega interessant, wie wenig ausreichen kann, um die Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
  2. Zeig Präsenz: Nutze den Raum und bewege dich zur Unruhe hin. Und auch das machst du wieder, ohne die Störung direkt verbal zu kommentieren. Bleib bei deinem Unterricht. Deine reine Anwesenheit reicht oft schon aus und signalisiert deinen Schüler:innen: „Ich habe alles im Blick.“
  3. Manchmal ist auch die gesamte Klasse unruhig. Schreib still und leise an die Tafel: „Ich wünsche mir Ruhe!“ Während du schreibst, drehst du dich ein paar Mal zur Klasse um. Lass es wieder unkommentiert. Du wirst es sehen, wie schnell sich unter den Schüler:innen Verbündete zeigen, die ihre Mitschüler:innen ermahnen. Der gemeinsame Wunsch nach Ruhe wächst und selbst, wenn Teile der Klasse erneut aus der Ruhe ausbrechen sollten, reicht oft schon ein Klopfen an die Tafel, und du findest erneut Unterstützung in der Schülerschaft.
  4. Sitznachbarn lenken sich gegenseitig ab: Mach etwas Unerwartetes! Du hast die beiden schon mehrmals ermahnt, aber ihr Verhalten hat sich nicht verbessert. Jetzt bietest du ihnen zwei Alternativen an: „Ihr führt euer Gespräch draußen vor der Tür zu Ende, aber nicht in meinem Unterricht. ODER ihr haltet euch jetzt an unsere Regeln, stört den Unterricht nicht länger und folgt dem Unterricht!“ Und ganz wichtig ist, was jetzt kommt: „Entscheidet euch!“ Ehrlich, das ist so wirkungsvoll – ich lieb‘ es. Die Schüler wollen in der Regel immer bleiben, und du bleibst bei dir.
  5. Nichts geht mehr: „Cut“ und klare Ich-Botschaft. Es kommt ja auch vor, dass die ganze Klasse nicht zur Ruhe kommt. Mach einen klaren Schnitt. Zuerst alle Stifte ablegen lassen, dann alle Blicke zu dir – warte, bis es auch wirklich so ist. Und jetzt sendest du eine klare Ich-Botschaft, zum Beispiel: „Ich möchte jetzt, dass ihr mir zuhört, ansonsten kann ich euch nicht vernünftig auf die nächste Klassenarbeit vorbereiten.“ Jetzt ist es super wichtig, gemeinsam mit der Klasse eine klare Vereinbarung zu treffen, wie es weitergeht. Die gemeinsame Festlegung von Regeln stärkt das Verantwortungsbewusstsein deiner Schüler:innen. Unter Umständen ist auch sinnvoll, gerade die „Störenden“ zu Regelwächtern zu machen, denn: Zutrauen ist gut, Misstrauen erzeugt Wut!

Es klingelt. Aber deine Arbeit endet hier nicht. Gerade nach unruhigen Phasen ist es wichtig, im Sinne eines guten Classroom Managements die Stunde zu reflektieren.  Welche Handlungen von dir oder den Schüler:innen haben zur Unruhe beigetragen? Reflektiere deine Unterrichtsgestaltung und deine Beziehungsarbeit.

Möglicherweise ist es lohnenswert, mit einzelnen Schüler:innen nochmal zu sprechen, schaffe dafür ein geschützten Raum und denk daran: Ein gutes Gespräch zwischen zwei Menschen braucht immer zwei Stühle. Zeig‘ Verständnis und Empathie, du könntest beispielsweise sagen: „Ich sehe, du hast gerade Schwierigkeiten, dich zu konzentrieren und störst deshalb den Unterricht. Ich möchte dir gerne helfen. Was brauchst du von mir?“ Sobald du das erfahren hast, biete deine Hilfe an.

Wissenschaftliche Studien, z.B.  von Andreas Helmke, bestätigen immer wieder die immense Bedeutung einer effektiven Klassenführung für den Lernerfolg und die Reduktion von Unterrichtsstörungen. Das Deutsche Schulportal, ich habe es unten verlinkt, macht in einem Artikel darauf aufmerksam, dass die Effekte erfolgreicher Klassenführung auf den Lernerfolg und die Anstrengungsbereitschaft von Schüler:innen oft größer sind als andere Einflussfaktoren (Deutsches Schulportal, 2025).

Tina Hascher und Kolleg:innen betonen ebenfalls in ihren wissenschaftlichen Arbeiten die Relevanz positiver und sicherer Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen. Zeichnen sich diese Beziehungen durch affektive Verbundenheit und Nähe aus, können sie die Lernmotivation fördern und sogar zu mehr Freude am Beruf als Lehrer:in beitragen (Hagenauer/ Raufelder, 2021).

Dein Engagement und Investment in die Beziehungsarbeit mit deinen Schüler:innen macht also den entscheidenden Unterschied!

Seh‘ Unruhe nicht als Problem, sondern als Symptom. Dann kannst du damit nicht nur effektiver umgehen, sondern auch das Fundament für viele vertrauensvolle Beziehungen zu deinen Schüler:innen legen. Und das kann dir so viel Energie geben und dich so glücklich machen – und deine Schüler:innen auch!

Quellen:

      • Hagenauer, L., & Raufelder, D. (Hrsg.) (2021). Soziale Eingebundenheit. Sozialbeziehungen im Fokus von Schule und LehrerInnenbildung. peDOCS. Online verfügbar unter: pedocs.de (Zugriff: 29.05.2025).

      • Cook, C. R., Cook, L. B., & Landau, J. (2017). The impact of teachers‘ use of student names on classroom behavior and academic engagement. Journal of Applied School Psychology, 33(2), 113-128.