Die veränderte Lernsituation - Wahrnehmung und Konzentration
Was ist das bloß für eine Welt, in der unsere Kinder groß werden. Umgeben von zahlreichen politischen und ökologischen Krisen wachsen sie in einer digitalisierten Welt auf, die sich so schnell transformiert, dass es schwierig ist, den status quo zu beschreiben. Denn was heute neu ist, ist morgen schon wieder von gestern.
Komme ich gleich zu meinem Gedanken, der mir Impuls für diesen Artikel war: Wenn die Welt in einem ständigen Wandel ist, dann muss sich doch auch das Lernen und mein pädagogisches und didaktischen Handeln als Lehrkraft verändern.
Die notwendigen Veränderungen des Lernens und Lehrens werde ich in fünf wichtigen Handlungsfeldern beschreiben. In diesem Artikel soll es um das erste Handlungsfeld gehen, die Wahrnehmung und Konzentration.
Im Jahr 1989 erschien eine Spiegel-Ausgabe mit dem Titel „Droge Fernsehen: Die süchtigen Kinder“. Hey Spiegel, heute ist das Jahr 2025, und unsere Kinder und Jugendliche tragen den Fernseher mittlerweile in ihren Hosentaschen herum, immer und ständig verfügbar, immer und ständig im Einsatz. Ohne Handy scheint es gar nicht mehr zu gehen. Kommt das Kind auf die weiterführende Schule, also spätestens da, führen Papa und Mama ständig verwirrende Gespräche mit anderen Eltern und auch dem eigenen Kind, weil man der Meinung ist, nur noch mit einem Handy sozial integriert und biologisch überlebensfähig zu sein. Da stellt sich die Frage, wie wir das früher ohne Handy, Tablet und Co. schaffen konnten. Und gleichzeitig kriecht eine elterliche Fürsorge mit einer rhetorischen Frage empor: Und was, wenn das eigene Kind doch ausgeschlossen wird, weil es keine Handy besitzt?
Perspektivwechsel: Die zunehmende technologische Ablenkung stellt die Konzentrationsfähigkeit von Schüler:innen vor große Herausforderungen. Als Lehrkraft muss ich in der Lage sein, Aufmerksamkeit aktiv zu steuern, damit sowas wie nachhaltiges Lernen möglich ist. Dazu ist es notwendig, genau zu wissen, was im Unterricht passieren soll. Inhalte sollen nicht nur überflogen werden, sie sollen auch behalten werden. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche mit Handy und Social Media aufwachsen, wo sie von einer schnellen Information zur nächsten rasen, macht diese Aufgabe zu einer echten Herausforderung. Und aus der Neuroplastizität – gerade habe ich es erst mit meinen Schüler:innen im Biologieunterricht davon gehabt – wissen wir, dass sich das Gehirn anpasst, und zwar so wie es genutzt wird. Ständige Unterbrechungen schwächen die Fähigkeit, den Fokus zu halten. Die Lehrkraft muss den Unterricht also so gestalten, dass Ablenkungen von vornherein reduziert werden und die selektive Aufmerksamkeit trainiert wird, damit Schüler:innen Wichtiges von Unwichtigem trennen können.
Stelle dir als Lehrkraft deshalb folgende drei Fragen:
Weiß ich in jeder Phase meines Unterrichts genau, was passieren soll, um Ablenkungen zu minimieren?
Wenn nicht, solltest du versuchen, deinen Unterricht noch detaillierter zu planen. Gerade als Berufseinsteiger:in sind detaillierte Unterrichtspläne enorm hilfreich, eine zentrale Bedeutung haben hier die Gelenkstellen und Fragestellungen, formuliere sie aus. Da Ablenkungen aber auch vollkommen normal sind, ist es ratsam, Zeiten einzuplanen, in denen der Fokus nicht bei der Lehrkraft liegt, sondern in gewisser Weise das Ausbrechen aus dem Unterricht ermöglichen.
Nutze ich gezielt Techniken, die die Aufmerksamkeit meiner Schüler:innen über längere Zeit binden?
Wenn nicht, experimentiere einmal mit Methoden wie Think-Pair-Share oder kurzen Schreibaufgaben. Mit diesen Methoden bleiben die Schüler:innen kognitiv aktiv, da sie damit rechnen müssen, ihre Überlegungen zu teilen.
Die Methode Cold Calling kann, wenn sie richtig und durchdacht eingesetzt wird, die Aktivität aller Schüler:innen erhöhen; den Begriff finde ich allerdings problematisch, weil er suggeriert, dass Schüler:innen durch den Aufruf der Lehrkraft kalt erwischt werden. Ein Cold Call braucht immer eine vorgeschaltete andere Methode, z.B. die Turn-and-Talk-Methode. Dann kann es eine wunderbare Methode sein. Haben die Schüler:innen allerdings das Gefühl, kalt erwischt worden zu sein, dann ist das nicht im Sinne der eigentlichen Methode und super kontraproduktiv, weil es nicht zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein führt, sondern genau das Gegenteil erreicht, was für ohnehin introvertierte Schüler:innen wirklich fatal wäre.
Habe ich eine Strategie, wie ich meine Schüler im Umgang mit digitalen Ablenkungen unterstütze?
Wenn nicht, führe in deinen Klassen klare Regeln zum Umgang mit Handys und Tablets ein – im besten Fall habt ihr als Schule solche Regeln aufgestellt und sie in die Schulordnung aufgenommen. Wichtig ist in meinen Augen, dass mit den Schüler:innen über diese Thematik gesprochen wird und dieses Gespräch auch nicht bei einfachen Verboten stehen bleibt, sondern in einer guten Absicht auf der Grundlage eines Zu- und Vertrauens Möglichkeiten zur Schülerpartizipation lässt. Die Arbeit ist nicht mit einer Handyregelung getan, es braucht immer auch ein damit verknüpftes Konzept zur verantwortungsvollen Medienbildung.